Pflichtteilsrecht – notarielles Nachlassverzeichnis: Was muss ein Notar alles (nicht) machen?

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Pflichtteilsrecht – notarielles Nachlassverzeichnis: Was muss ein Notar alles (nicht) machen?

Häufig fehlt enterbten Kindern das Wissen über Umfang und Wert des Nachlasses, von dem sie durch Testament oder vorherige Schenkungen der Eltern ausgeschlossen sind. Das Gesetz sieht daher zu ihren Gunsten einen umfassenden gesetzlichen Auskunftsanspruch vor, der sogar zur Beauftragung eines Notars auf Kosten des Erben führen kann, vgl. § 2314 Abs. 1 BGB. Nur so können die Pflichtteilsberechtigten eine Berechnungsgrundlage für ihren Geldanspruch erhalten.

Amtlicher Leitsatz:

Der Notar, der vom Erben mit der Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses beauftragt worden ist, entscheidet nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen, welche Ermittlungen er vornimmt und welcher Erkenntnisquellen er sich bedient. Die Anforderungen an den Umfang der Ermittlungen richten sich nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalles und orientieren sich daran, welche Nachforschungen ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde. Der Notar ist dagegen nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte in alle denkbaren Richtungen zu ermitteln, um weiteres Nachlassvermögen aufzuspüren.

Nichtamtlicher Leitsatz:

Der Notar muss und kann kein Ersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern nach § 802l Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO stellen, um bei deutschen Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 und 1a AO bezeichneten Daten zu Konten der Erblasserin abzurufen. Hierfür fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, d.h. der Notar bekommt dort ohnehin keine Auskünfte. Diese Informationen kann nur ein Gerichtsvollzieher im Rahmen einer Vollstreckung abrufen.

(BGH, Beschluss vom 07.03.2024, I ZB 40/23 Volltext unter BeckRS 2024, 6101 )

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Dr. Florian Kappes
Fachanwalt für Erbrecht

Vorgetäuschter Eigenbedarf – zivil- und strafrechtliche Folgen

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Vorgetäuschter Eigenbedarf – zivil- und strafrechtliche Folgen

Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann ein Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er die Mietwohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Eine vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung birgt erhebliche Risiken und zwar sowohl hinsichtlich der möglichen zivilrechtlichen als auch der strafrechtlichen Konsequenzen:

Schadensersatzansprüche des Mieters

Wird der Eigenbedarf vom Vermieter nur vorgetäuscht und hat er eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen, obwohl tatsächlich kein Eigenbedarf vorlag,  hat der Mieter einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB gegen den Vermieter. Hierzu gehören die Umzugskosten des Mieters, die Kosten der Wohnungssuche sowie die Mietdifferenz im Hinblick auf die möglicherweise höhere Miete der neuen Wohnung. Die Gerichte gewähren dabei dem ausgezogenen Mieter teilweise bis auf die Dauer von 3,5 Jahren den Ersatz des „Mietdifferenzschadens“, also des Schadens, der ihm durch die Anmietung einer vergleichbaren höherpreisigen Mietwohnung entstanden ist (AG Coesfeld, Urteil vom 01.10.2019, Az.: 4 C 156/19).

Auch wenn der Eigenbedarf nach Ausspruch der Kündigung wegfällt, beispielsweise weil der Familienangehörige, der in die Wohnung einziehen hätte sollen, verstirbt, ist der Vermieter dazu verpflichtet, den Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist darüber unverzüglich zu informieren, wenn er sich nicht schadensersatzpflichtig machen möchte. 

Strafbarkeit wegen Betrug

Der vorgetäuschte Eigenbedarf kann neben Schadensersatzansprüchen des Mieters auch strafrechtliche Folgen wegen Betrug (§ 263 StGB) nach sich ziehen:

In einem aktuelleren Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf vom 29.05.2024 (Az.: 412 Ds 25/23) wurde eine Vermieterin wegen Betrug durch Unterlassen gem. §§ 263, 13 StGB zu einer Geldstrafe von 54.000 Euro (90 Tagessätzen zu je 600 Euro) und zu einer Zahlung von über 330.000 Euro Wertersatz verurteilt.

Der Verurteilung lag folgender Fall zugrunde: Das Mietgericht hatte der Klage der Vermieterin auf Räumung wegen Vorliegen von Eigenbedarf stattgegeben. In der Zwischenzeit hatten sich die Pläne der Vermieterin allerdings geändert. Ihre Mieter hat sie hiervon nicht unterrichtet.  Nach Auszug der Mieter verkaufte sie das leerstehende Gebäude mit einem Gewinn von knapp über 330.000 Euro. Das Gericht hat in der unterlassenen Mitteilung an die Mieter über den Wegfall des Eigenbedarfs ein strafrechtlich relevantes Unterlassen bejaht. Mit der Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen bleibt die Vermieterin nur sehr knapp unter einer Strafe, bei der sie als vorbestraft gilt. Darüber hinaus hat das Gericht auch den durch die Straftat erlangten Gewinn in Höhe von mehr als 330.000 Euro eingezogen, um dadurch den Vermögensvorteil abzuschöpfen, so dass die Vermieterin durch den Verkauf des Hauses nicht profitieren hat können.

Empfehlung: Rechtssicherheit durch juristische Beratung

Angesichts der weitreichenden zivil- und strafrechtlichen Folgen und der Komplexität des Mietrechts ist es für Vermieter ratsam, sich vor einer Eigenbedarfskündigung umfassend beraten zu lassen, damit sowohl das Kündigungsschreiben formell und inhaltlich korrekt ist als auch ein Räumungsvergleich rechtssicher abgefasst wird, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen und Risiken zu vermeiden.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Risiken einer Eigenbedarfskündigung, insbesondere bei einem vorgetäuschten Eigenbedarf, nicht unterschätzt werden dürfen. Strafrechtliche Konsequenzen und unter Umständen erhebliche Schadenersatzansprüche des Mieters sind mögliche Folgen, die vermieden werden können, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen sorgfältig eingehalten werden.

Dorothea Gölz
Fachanwältin für Miet- und WEG-Recht

Baufirma- bzw. Bauträgerinsolvenz, ein Problem für Bauherren!

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Baufirma- bzw. Bauträgerinsolvenz, ein Problem für Bauherren!

Im Jahr 2024 sind die Bauinsolvenzen in Deutschland deutlich gestiegen. Rohmaterialkosten, Lieferengpässe und steigende Zinsen haben viele Bauunternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Die Preise für Baustoffe sind ganz erheblich gestiegen, was die Kosten für Bauprojekte ebenfalls erheblich erhöht hat. Viele Bauunternehmen können diese Mehrkosten nicht tragen bzw. nicht umlegen und geraten dadurch in „finanzielle Schieflage“ und damit letzlich in die Insolvenz. Es ist derzeit zu erwarten, dass Bauinsolvenzen noch weiter zunehmen könnten, wenn sich die wirtschaftlichen/finanziellen Rahmenbedingungen nicht verbessern. 

Was bedeutet dies für Bauherren?

Zunächst führt die Insolvenz einer Baufirma bzw. eines Bauträgers in der Regel dazu, dass das vom Käufer bzw. Bauherren bestellte Objekt nicht fertiggestellt werden kann, Mehrkosten entstehen und das ganze Bauvorhaben stockt. Die Käufer/Bauherren verlieren viel Geld und bleiben auf einem unfertigen Bauvorhaben sitzen.

Wie kann man sich vor einer Insolvenz schützen und das finanzielle Risiko minimieren?

Neben der Notwendigkeit, sich vor Abschluss eines Vertrags möglichst umfassend über das Bauunternehmen bzw. den Bauträger, dessen Bonität und mögliche Referenzen zu informieren, ist eine wichtige Maßnahme zur Risikominimierung ein ausgewogener Zahlungsplan im Bauvertrag.

Abschlagsforderungen dürfen grundsätzlich nur dem Wertzuwachs des Bauwerks auf dem Grundstück entsprechen. Tatsächlich sollte nur das bezahlt werden, was an Leistungen auch wirklich erbracht wurde. Deshalb ist es unbedingt notwendig, den Baufortschritt und die Einhaltung des Bauzeitenplanes im Auge zu behalten.

Bauherren haben, zumindest soweit es sich um einen Verbraucherbauvertrag handelt, einen Anspruch auf eine Fertigstellungssicherheit in Höhe von 5 % der Bausumme. Sie dient der pünktlichen Fertigstellung des Gebäudes ohne Mängel. Die Fertigstellungssicherheit kann entweder mit der ersten Abschlagszahlung einbehalten werden oder der Vertragspartner übergibt eine Bankbürgschaft über die gleiche Summe.

Um sich vor einer Insolvenz der Baufirma während der Gewährleistungszeit zu schützen, besteht außerdem die Möglichkeit einer Gewährleistungsbürgschaft, die einspringt, wenn die Baufirma nach Fertigstellung des Bauvorhabens und vor Ablauf der regelmäßig 5-jährigen Gewährleistungszeit zahlungsunfähig werden sollte. Die Gewährleistungsbürgschaft ist gesetzlich zwar nicht vorgeschrieben, wird aber sehr häufig vertraglich vereinbart. Eine entsprechende Vereinbarung sollte dabei unbedingt mit in den Bauvertrag aufgenommen und sinnvollerweise vorab anwaltlich überprüft werden.

Wenn der befürchtete Ernstfall eintritt und die Baufirma bzw. der Bauträger zahlungsunfähig ist oder bereits Insolvenz angemeldet hat, wie geht es dann mit dem Hausbau weiter?

Wenn die Baustelle ruht und nichts mehr weitergeht, sollten Bauherren auf keinen Fall weitere Zahlungen für noch nicht erbrachte Leistungen tätigen. Stattdessen gilt es, ggf. unter Hinzuziehung eines Bausachverständigen, den Bautenstand und Wert der bereits erbrachten Leistungen bzw. des Bauvorhabens genau zu überprüfen.

Bei (drohender) Insolvenz und den entsprechenden Alarmzeichen sollte außerdem Unterstützung durch einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht eingeholt werden, um seine Rechte zu sichern und handlungsfähig zu bleiben.

Grundsätzlich nicht sinnvoll und zielführend ist es in diesem Stadium, ohne vorherige und gründliche Überprüfung, vorschnell eine Kündigung des Bau- bzw. Kaufvertrags auszusprechen.

Sobald Insolvenz angemeldet bzw. das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, wird regelmäßig ein Insolvenzverwalter bestellt, der sich zunächst einen Überblick über die wirtschaftlichen Verhältnisse des zahlungsunfähigen Unternehmens verschafft. In dieser Zeit steht die Baustelle still.

Bei Insolvenz eines Bauträgers obliegt dem Insolvenzverwalter im Hinblick auf die noch zu erbringenden Werkleistungen ein Wahlrecht, ob das Bauvorhaben vertragsgemäß fertiggestellt oder aber das Bauprojekt gestoppt wird.

In den allermeisten Fällen wird die Erfüllung des Vertrags vom Insolvenzverwalter abgelehnt werden. In diesem Fall steht die Baustelle auch zukünftig still und es besteht die Notwendigkeit, zunächst zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Eigentumsübertragung an dem (zumindest teilweise bebauten) Grundstück erfolgen kann. Nachfolgend geht es dann darum, eine andere Firma zu finden, die bereit ist, das Bauvorhaben fertigzustellen. Die damit verbundenen Mehrkosten verbleiben regelmäßig bei den Bauherren.

Nicola Schulze
Fachanwältin für Miet- und WEG-Recht
Fachanwältin Bau- und Architektenrecht

Immobilien-Kaufvertrag-Gewährleistung – Feuchte Wohnräume sind ein Kaufmangel, kein Haftungsausschluss bei arglistigem Verschweigen!

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Immobilienkauf-Gewährleistung – Feuchte Wohnräume sind ein Kaufmangel, kein Haftungsausschluss bei arglistigem Verschweigen!

    1. Als Wohnung verkaufte Räume im Souterrain eines Altbaus, die bei Gefahrübergang erhebliche Wandfeuchtigkeit aufweisen, sind regelmäßig weder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung noch für die gewöhnliche Verwendung zum Wohnen geeignet und infolgedessen mangelhaft.*
    2. Der übliche Haftungsausschluss im Notarvertrag beim Verkauf gebrauchter Immobilien greift nicht, wenn der Verkäufer erhebliche Mängel arglistig verschweigt, sichtbare Mangelerscheinungen bagatellisiert und/oder deren sachgerechte Behebung behauptet.**

    (BGH, Urteil vom 21.06.2024 – V ZR 79/23 – vorher LG und OLG Köln; BeckRS 2024, 18935)

    * amtlicher Leitsatz, ** Leitsatz des Verfassers

    Problem/Sachverhalt

    Die Verkäufer haben zwei im Souterrain eines Altbaus in unmittelbarer Rheinnähe (!) gelegene Eigentumswohnungen 1999 erworben. Sie ließen bei allen Außenwänden eine horizontale Sperre durch chemische Injektion einbringen. Wegen erneut auftretender Feuchtigkeitsprobleme wurden in den Folgejahren immer wieder zusätzliche Sanierungsarbeiten durchgeführt. In einem Sanierungsangebot vom Sommer 2017 heißt es, dass sich im Sockelbereich der Wohnungen Feuchtigkeitsschäden zeigten, es keine Verbindung zwischen den Bodenabdichtung und den Wänden gebe und keine Horizontalabdichtung zu erkennen sei. Im selben Jahr boten die Eigentümer die Wohnungen in einen Maklerexposé für 745.000 Euro zum Verkauf an. Darin wurde das Baujahr 1904 mitgeteilt und die Wohnungen als im Jahr 1999 „kernsaniert“ bezeichnet. Die Käufer besichtigten die Wohnungen, bei denen teilweise der Oberboden in Räumen geöffnet und der Außenputz entfernt war, mehrfach mit einem Architekten. Mit Kaufvertrag vom 20.02.2018 erwarben die Käufer die Wohnungen sodann zu einem Preis von 675.000 Euro „im gegenwärtigen, gebrauchten Zustand“ und unter Hinweis auf Feuchtigkeitsschäden an der Außenwand des hinteren großen Zimmers der Wohnung Nr. 1 unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel. die Käufer konnten wegen notwendiger Sanierungsarbeiten nicht wie geplant einziehen und fordern 32.551,08 Euro Schadensersatz. Das OLG wies die Klage ab.

    Entscheidung

    Die Revision der Käufer hat Erfolg und führt zur Zurückweisung an einen anderen Senat des OLG. Es ist zwar keine Beschaffenheit vereinbart worden; die Beschreibung im Exposé hat in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag gefunden. Die Wandfeuchtigkeit der Souterrainwohnungen stellt jedoch einen Sachmangel dar, da als Wohnungen verkaufte Räume, die bei Gefahrübergang erhebliche Wandfeuchtigkeit aufweisen, zum Wohnen nicht geeignet und infolgedessen mangelhaft sind. Auf den Haftungsausschluss können sich die Verkäufer wegen eines arglistigen Verschweigens des Mangels nicht berufen (§ 444 BGB). Die Käufer haben behauptet, die Verkäufer hätten ihrem Architekten mitgeteilt, dass die anlässlich der Besichtigung sichtbaren Feuchtigkeitsflecken seitens der Gemeinschaft behoben worden seien. Diesem Beweisangebot hätte das Berufungsgericht nachkommen müssen. Eine Offenbarungspflicht bestand. Die Erklärung der Verkäufer, ein anderer Kaufinteressent habe die Substanz der Immobilie untersuchen lassen und die noch sichtbare Öffnung der Außenisolierung habe ihnen die Qualität der Außenabdichtung vor Augen führen sollen sowie die Angaben im Exposé haben die konkreten Feuchtigkeitsprobleme bagatellisiert.

    Praxishinweise

    Anders als bei Feuchtigkeit in Kellerräumen von Altbauten, als Kellerabdichtungen noch nicht üblich waren, bei denen der Immobiliensenat nicht automatisch einen Sachmangel angenommen hat (BGH, IMR 2009, 216), stellt Feuchtigkeit in Wohnräumen einen Sachmangel dar. Dies gilt auch nach neuem Sachmängelrecht. Ein wirksamer Haftungsausschluss im notariellen Vertrag kann nicht pauschal erfolgen, sondern setzt die (vollständige) Offenbarung der Kenntnisse des Verkäufers, insbesondere auch vom Umfang und von den Ursachen voraus. Häufig wünschen Verkäufer vom Notar eine Formulierung im Urkundenentwurf, die den Käufer nicht „abschreckt“ oder ihn vielleicht zu Nachverhandlungen über den Preis veranlasst. Dies ist gefährlich, da dies bei einer Offenbarungspflicht zur Bagatellisierung des Mangels und damit zur Bejahung eines arglistigen Verhaltens des Verkäufers führen kann. Der (ungenügende) Haftungsausschluss hilft dann nicht, der Käufer kann dann trotzdem Gewährleistungsansprüche gelten machen. Knackpunkt für den Käufer ist dabei allerdings, diejenigen Umstände herauszufinden und zu beweisen, die das „böswillige Verhalten“ der Verkäuferseite belegen.

    Dr. Florian Kappes
    Fachanwalt für Immobilienrecht