Technik & Energie

Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern – Praxisleitfaden soll Eigentümern bei der Entscheidung helfen

Für bestehende Ein- und Zweifamilienhäuser existieren bereits genügend erprobte Konzepte und Erfahrungen beim Einbau und Betrieb von Wärmepumpen. Anders sieht es bei den Mehrfamilienhäusern aus. Hier sind die Herausforderungen etwa beim Ersatz von dezentralen Gasetagenheizungen, bei der Einhaltung der Trinkwasserhygiene von Warmwasserbereitern und bei der Aufstellung von Wärmepumpen in verdichteten Innenstadtlagen deutlich größer.

Ein Praxisleitfaden des Netzwerks des Gebäudeforums klimaneutral, bei dem Haus & Grund Deutschland Partner ist, adressiert diese Probleme und zeigt Lösungen auf. Anhand von Praxisbeispielen werden die verschiedenen Möglichkeiten für den Einsatz von Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern vorgestellt. Darüber hinaus gibt der Leitfaden Eigentümern detaillierte Hinweise und grundlegende Empfehlungen für die eigene Entscheidungsfindung – hier ein grober Überblick:

Voraussetzungen für den Einsatz in bestehenden Mehrfamilienhäusern

Rein theoretisch funktionieren Wärmepumpen in jedem Gebäude. Dabei kommen in Wohnhäusern fast ausschließlich elektrisch angetriebene Wärmepumpen zum Einsatz. Für die Aufstellung und einen effizienten Betrieb müssen jedoch einige Bedingungen erfüllt sein.

Platzangebot und verfügbare Wärmequelle: Insbesondere in dicht besiedelten Gebieten muss zunächst geprüft werden, ob die erforderlichen Abstandsregelungen, Schallschutz- oder Denkmalschutzvorgaben den Einsatz von Wärmepumpen erlauben und welche Wärmequellen verfügbar sind. Erdwärmepumpen benötigen für die Bohrungen viel Platz auf dem Grundstück. Luftwärmepumpen werden im Außenbereich aufgestellt und müssen sowohl die nötigen Abstandsflächen als auch bestimmte Schallschutzwerte zum Nachbarn einhalten. Die Aufstellung im Dachraum bietet sich an, wenn thermische Photovoltaikmodule (PVT-Kollektoren) die Wärmequelle darstellen. Kommt eine gebäudeeigene Lösung nicht infrage, ist gegebenenfalls in der Nachbarschaft oder im Quartier die Aufstellung einer Großwärmepumpe und die Versorgung über ein Wärmenetz durch einen Energiedienstleister möglich. Dabei kommen als Wärmequellen dann auch das Oberflächen- oder Abwasser und die Abwärme aus Produktionsprozessen, Lüftungs- oder Klimaanlagen in Betracht.

Wärmeschutz und Modifizierung der vorhandenen Heizung: Wärmepumpen können effizient in Gebäuden eingesetzt werden, die über einen ausreichenden Wärmeschutz verfügen und in denen die Wohnräume mit einer Vorlauftemperatur von maximal 55 Grad Celsius ausreichend beheizt werden. Um dies zu erreichen, sind zumeist nur geringinvestive Maßnahmen an der Heizungsanlage wie etwa der hydraulische Abgleich, die Absenkung der Heizkurve oder die Vergrößerung einzelner Heizflächen nötig. Lässt sich der Wärmebedarf zunächst nicht ohne größere bauliche Maßnahmen an der Gebäudehülle oder Heizungsanlage absenken, ist eine Hybridheizung eine Option. Dabei übernimmt eine Wärmepumpe die Grundlast, und ein Gas- oder Öl-Brennwertkessel stemmt die Spitzenlast an den wenigen sehr kalten Tagen im Jahr.

Stromanschluss: Während bei der Gasheizung naturgemäß ein Gasanschluss vorhanden sein muss, braucht die Wärmepumpe einen ausreichend dimensionierten Stromanschluss. Manchmal muss dafür noch die Stromverteilleitung in der Straße durch den zuständigen Netzbetreiber ertüchtigt werden. Deshalb ist es sinnvoll, möglichst frühzeitig den regionalen Netzbetreiber zu kontaktieren.

Bauarten und Aufstellorte

Der Markt bietet mittlerweile ein breites Sortiment an Wärmepumpen für die Beheizung von Mehrfamilienhäusern. Das Angebot reicht von der dezentralen Lösung für einzelne Wohnungen über die zentrale Anlage für das gesamte Haus bis hin zur Großwärmepumpe für die Versorgung mehrerer Gebäude über ein Wärmenetz. Bei den am häufigsten eingesetzten Luft-Wasser-Wärmepumpen unterscheidet man zwischen Kompakt- und Split-Geräten. Bei Kompaktgeräten (Monoblock) sind alle Komponenten in einem Gehäuse untergebracht. Split-Geräte bestehen hingegen aus Außen- und Inneneinheit, die durch Kältemittelleitungen miteinander verbunden werden. Für die Aufstellung von Wärmepumpen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Außenaufstellung nah am Gebäude ist oft die günstigste Lösung, wenn die Schallbelastung hier keine zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen erfordert. Bei der Innenaufstellung im Keller wird nicht nur Platz für die Wärmepumpenkomponenten, sondern auch für die voluminösen Luftkanäle benötigt. Neben dem Luftschall spielt hier auch der Körperschall eine Rolle und erfordert eine schallentkoppelte Aufstellung. Ebenso sind bei der Aufstellung auf dem Dachboden Luft- und Körperschall zu beachten, zusätzlich spielt die Statik eine Rolle. Die Aufstellung pro Etage oder Wohnung bietet sich bei Ersatz von Gasetagenheizungen oder Einzelöfen an. Hier versorgen dezentrale Wärmepumpen entweder mehrere beziehungsweise alle Wohnungen einer Etage oder jeweils nur eine Wohnung. Die Außeneinheiten können dabei an oder in die Außenwand, auf dem Balkon oder auf einem nahe gelegenen Flachdach platziert werden.

Knackpunkt: Trinkwassererwärmung

Eine hygienische Trinkwarmwassererzeugung ist auch mit einer Wärmepumpe realisierbar, in diesem Fall aber mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Sie kann über die Wärmepumpe, die auch der Raumbeheizung dient, erfolgen. Ein elektrischer Heizstab erzeugt dabei die für den Legionellenschutz erforderliche Temperatur von 60 bis 70 Grad Celsius. Bei hybriden Heizungen übernimmt ein Spitzenlastkessel das nötige Aufheizen des Trinkwassers. Als weitere Möglichkeit kommt die dezentrale Erwärmung des Trinkwassers in der Wohnung über elektrische Durchlauferhitzer oder Speicher unabhängig vom Wärmepumpensystem in Betracht. Die Hygieneanforderungen können auch durch sogenannte Frischwasserstationen und Ultrafiltration erfüllt werden, ohne das Trinkwarmwasser zusätzlich aufzuheizen. Über die Frischwasserstation wird das Trinkwasser erst bei Bedarf in der Wohnung aufgewärmt. Dabei kommt es zu keiner Vermehrung der Legionellen. Die extrem feinen Ultrafilter halten die Bakterien mechanisch zurück.

Effizienzsicherung und Betriebsüberwachung

Eine fachgerechte Planung und Installation sind das A und O für den zukünftigen effizienten Betrieb der Wärmepumpe. Die VDI-Richtlinie 4645 „Heizungsanlagen mit Wärmepumpen in Ein- und Mehrfamilienhäusern“ beschreibt die erforderlichen Schritte. Sie gibt Hinweise zur richtigen Planung, Dokumentation und Inbetriebnahme der Anlage sowie zur Unterweisung des Betreibers. Eine Wärmepumpenanlage besteht aus vielen Systemkomponenten, von der Wärmequelle und dem Wärmeerzeuger über die hydraulische Einbindung bis hin zur Stromversorgung. Das optimale Zusammenspiel dieser Komponenten in diesem komplexen System unterliegt vielen Einflussfaktoren und muss daher regelmäßig überwacht werden.

Rechtlicher Rahmen und Förderung

Gleich mehrere Gesetze und Vorschriften sind beim Einsatz von Wärmepumpen zu beachten: das Gebäudeenergiegesetz, das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung, Vorschriften zu den Kältemitteln (F-Gas-Verordnung), das Energiewirtschaftsgesetz § 14a hinsichtlich der Netzintegration von Wärmepumpen in das Stromnetz sowie die Netzanschlussbedingungen des Stromversorgers und die jeweilige Landesbauordnung nebst Bebauungsplan wegen der nötigen Mindestabstände. Nicht zu vergessen das Bundesimmissionsschutzgesetz und die sogenannte TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz vor Lärm) wegen der von einer Wärmepumpe ausgehenden Geräusche.

Der Einbau einer Wärmepumpe im Bestand wird innerhalb der Bundesförderung für effiziente Gebäude als Einzelmaßnahme (BEG EM) gefördert. Antragsberechtigt sind neben Privatpersonen, Unternehmen, Kommunen und gemeinnützigen Einrichtungen auch Wohnungseigentümergemeinschaften. Sie müssen gemeinschaftlich einen Antrag stellen.

Praxisbeispiele und Handlungsempfehlungen

Die Erfahrungen aus bereits umgesetzten, ganz unterschiedlichen Projekten sollen Eigentümern bei der Entscheidung für die zukünftige Beheizung ihrer eigenen Immobilie helfen. Anhand der aufgezeigten Konzepte, Projektdaten und Erfolgsfaktoren lassen sich Tipps für Planung, Bau und Betrieb der neuen Heizung ableiten. In Form einer Checkliste werden die relevanten Erkenntnisse aus den Praxisbeispielen zusammengefasst und Handlungsempfehlungen zu den einzelnen Schritten der Umstellung einer bestehenden Heizung auf ein Wärmepumpensystem gegeben.

Der von der Deutschen Energie-Agentur herausgegebene „Praxisleitfaden für Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern. Status Quo. Erfahrungen. Möglichkeiten.“ steht Interessenten online zur Verfügung.

Corinna Kodim
Haus & Grund Deutschland
Geschäftsführerin Energie, Umwelt, Technik