Recht & Steuern
Vorgetäuschter Eigenbedarf – zivil- und strafrechtliche Folgen
Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann ein Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er die Mietwohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Eine vorgetäuschte Eigenbedarfskündigung birgt erhebliche Risiken und zwar sowohl hinsichtlich der möglichen zivilrechtlichen als auch der strafrechtlichen Konsequenzen:
Schadensersatzansprüche des Mieters
Wird der Eigenbedarf vom Vermieter nur vorgetäuscht und hat er eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen, obwohl tatsächlich kein Eigenbedarf vorlag, hat der Mieter einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB gegen den Vermieter. Hierzu gehören die Umzugskosten des Mieters, die Kosten der Wohnungssuche sowie die Mietdifferenz im Hinblick auf die möglicherweise höhere Miete der neuen Wohnung. Die Gerichte gewähren dabei dem ausgezogenen Mieter teilweise bis auf die Dauer von 3,5 Jahren den Ersatz des „Mietdifferenzschadens“, also des Schadens, der ihm durch die Anmietung einer vergleichbaren höherpreisigen Mietwohnung entstanden ist (AG Coesfeld, Urteil vom 01.10.2019, Az.: 4 C 156/19).
Auch wenn der Eigenbedarf nach Ausspruch der Kündigung wegfällt, beispielsweise weil der Familienangehörige, der in die Wohnung einziehen hätte sollen, verstirbt, ist der Vermieter dazu verpflichtet, den Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist darüber unverzüglich zu informieren, wenn er sich nicht schadensersatzpflichtig machen möchte.
Strafbarkeit wegen Betrug
Der vorgetäuschte Eigenbedarf kann neben Schadensersatzansprüchen des Mieters auch strafrechtliche Folgen wegen Betrug (§ 263 StGB) nach sich ziehen:
In einem aktuelleren Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Bergedorf vom 29.05.2024 (Az.: 412 Ds 25/23) wurde eine Vermieterin wegen Betrug durch Unterlassen gem. §§ 263, 13 StGB zu einer Geldstrafe von 54.000 Euro (90 Tagessätzen zu je 600 Euro) und zu einer Zahlung von über 330.000 Euro Wertersatz verurteilt.
Der Verurteilung lag folgender Fall zugrunde: Das Mietgericht hatte der Klage der Vermieterin auf Räumung wegen Vorliegen von Eigenbedarf stattgegeben. In der Zwischenzeit hatten sich die Pläne der Vermieterin allerdings geändert. Ihre Mieter hat sie hiervon nicht unterrichtet. Nach Auszug der Mieter verkaufte sie das leerstehende Gebäude mit einem Gewinn von knapp über 330.000 Euro. Das Gericht hat in der unterlassenen Mitteilung an die Mieter über den Wegfall des Eigenbedarfs ein strafrechtlich relevantes Unterlassen bejaht. Mit der Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen bleibt die Vermieterin nur sehr knapp unter einer Strafe, bei der sie als vorbestraft gilt. Darüber hinaus hat das Gericht auch den durch die Straftat erlangten Gewinn in Höhe von mehr als 330.000 Euro eingezogen, um dadurch den Vermögensvorteil abzuschöpfen, so dass die Vermieterin durch den Verkauf des Hauses nicht profitieren hat können.
Empfehlung: Rechtssicherheit durch juristische Beratung
Angesichts der weitreichenden zivil- und strafrechtlichen Folgen und der Komplexität des Mietrechts ist es für Vermieter ratsam, sich vor einer Eigenbedarfskündigung umfassend beraten zu lassen, damit sowohl das Kündigungsschreiben formell und inhaltlich korrekt ist als auch ein Räumungsvergleich rechtssicher abgefasst wird, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen und Risiken zu vermeiden.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Risiken einer Eigenbedarfskündigung, insbesondere bei einem vorgetäuschten Eigenbedarf, nicht unterschätzt werden dürfen. Strafrechtliche Konsequenzen und unter Umständen erhebliche Schadenersatzansprüche des Mieters sind mögliche Folgen, die vermieden werden können, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen sorgfältig eingehalten werden.
Dorothea Gölz
Fachanwältin für Miet- und WEG-Recht
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