Politik & Wirtschaft
„Gutes Wohnen hängt nicht davon ab, dass jede DIN-Norm eingehalten wird“
Gestiegene Zinsen, hohe Materialkosten und Fachkräftemangel – die Baubranche steckt in einer Krise. Gleichzeitig fehlt es an Wohnraum. Im Interview erläutert Bundesjustizminister Marco Buschmann, wie Bauen wieder einfacher werden kann und was sich hinter dem Begriff „Gebäudetyp E“ verbirgt.
Nach einer Studie des Bauforschungsinstituts Arge sind die Baukosten in den vergangenen vier Jahren etwa in Großstädten um 42 Prozent gestiegen. Wie kann Bauen wieder bezahlbarer werden?
Bund, Länder und Kommunen müssen hier zusammenwirken. Denn es gibt nicht das eine Wundermittel, um die Teuerungskrise beim Wohnungsbau in den Griff zu bekommen. Notwendig ist ein Bündel an Maßnahmen. Wo es möglich ist, da muss mehr Bauland ausgewiesen werden: Schließlich liegt es auch am knappen Grundstücksangebot, dass das Bauen so teuer ist. Bürokratieabbau ist ein weiterer Hebel: Es gibt zu viele Vorgaben in Deutschland und die Genehmigungs- und Gerichtsverfahren dauern zu lange; auch das sind unnötige Zeitfresser und Kostentreiber. Auch Förderprogramme sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Sie können die Teuerung zumindest abfedern: Die Bundesregierung hat hierfür bereits umfangreiche Mittel in die Hand genommen. Aber gerade weil das Geld im Haushalt endlich ist, sollten wir noch stärker auf den Abbau von Bürokratie und Regulierung schauen. Wir müssen auch das private Bauvertragsrecht modernisieren – und es einfacher machen, sich beim Bau auf den Verzicht von Komfortstandards zu verständigen.
Ein Aspekt, der das Bauen verteuert, sind die zahlreichen DIN-Normen. Sie gelten beim Wohnungsbau fast automatisch als die anerkannten Regeln der Technik. Wie könnten die Vorschriften gelockert werden?
Gutes Wohnen hängt nicht davon ab, dass jede einzelne der über 3.000 DIN-Normen für den Baubereich eingehalten wird. Das zeigen Altbauwohnungen: Viele Komfortnormen wie etwa Trittschalldämmung erfüllen sie selbst im renovierten Zustand oft nicht, sind aber trotzdem sehr begehrt. DIN-Normen werden allerdings weder vom Staat noch von der Politik gemacht. Wir können sie daher nicht einfach ändern. Allerdings können wir dafür sorgen, dass es rechtlich einfacher wird, von reinen Komfortnormen abzuweichen, ohne mit dem rechtlichen Risiko eines Mängelprozesses oder einer Mietminderung rechnen zu müssen. Kurz: Wir wollen es einfacher machen für die Beteiligten von Bauprojekten, rechtssicher zu vereinbaren, dass von DIN-Normen, die keine Sicherheitsaspekte betreffen, abgewichen wird. Der Weg dazu führt über eine Anpassung des Bauvertragsrechts.
Es liegt gerade viel Hoffnung im „Gebäudetyp E“. Was verbirgt sich genau dahinter und ist das nur ein Projekt oder sehen Sie darin ein Modell für die Fläche?
Das Schlagwort vom „Gebäudetyp E“ steht nicht für eine bestimmte Bauweise oder einen bestimmten Gebäudetypus. Dahinter verbirgt sich vielmehr die Idee, dass es sinnvoll sein kann, beim Bauen auf Komfortstandards zu verzichten – um das Bauen einfacher zu machen und dadurch kostengünstiger. Schon heute ist es grundsätzlich möglich, Abweichungen von Komfortstandards zu vereinbaren. Praktiziert wird das aber nur selten. Es herrscht viel Rechtsunsicherheit. Wir wollen den Verzicht auf Komfortstandards erleichtern. Ich denke, diese Idee hat durchaus großes Potenzial. Denn aus der Bauwirtschaft höre ich oft, dass gerade auch die Komfortstandards Kostentreiber sind. Wohlgemerkt: Es geht dabei nicht um staatliche Vorgaben – es geht allein um nicht-staatliche Qualitätsstandards. Es geht deshalb auch nicht um zwingende Vorgaben für Gebäudesicherheit und Gesundheitsschutz. Außerdem ist klar: Ein Verzicht auf die Einhaltung von Standards kann immer nur dann rechtswirksam sein, wenn alle Vertragspartner dies wollen. Wir schaffen mehr Rechtssicherheit für mehr Wahlfreiheit.
Haus & Grund sieht einige Risiken für private Eigentümer und vermietende Privatpersonen bei einer Neueinführung des Gebäudetyps E. Insbesondere im Bereich des Schallschutzes und der Einhaltung anderer anerkannten Regeln der Technik bestehen große Streitpotenziale und Haftungsrisiken. Vermieter könnten mit Mietminderungen und hohen Nachbesserungskosten konfrontiert werden. Teilen Sie diese Befürchtungen und wie könnte dies verhindert werden?
Diese Sorge muss niemand haben. Denn das Mietrecht vermittelt keinen Anspruch darauf, dass jede anerkannte Regel der Technik eingehalten wird. Der Mieter hat lediglich einen Anspruch darauf, dass ihm die Wohnung in einem Zustand überlassen wird, in dem sie sich zum vertragsgemäßen Gebrauch eignet. Der Vermieter muss also lediglich im Mietvertrag klar benennen, was er vermietet, so dass der Mieter im Bilde ist. Da kann man also etwa festhalten, dass die Trittschalldämmung geringer ist, als nach den aktuellen DIN-Normen vorgesehen. Verzichten die Parteien auf eine ausdrückliche Vereinbarung zur Beschaffenheit der Mietsache, dann ist der bei vergleichbaren Wohnungen „übliche Wohnstandard“ geschuldet. In vielen Fällen wird dieser gar nicht spürbar tangiert sein, wenn beim Bau von einzelnen anerkannten Regeln der Technik abgewichen wird. Wenn zum Beispiel im Badezimmer kein Fliesen- oder Vinylboden verlegt wird, sondern ein innovativer, ebenso wasserabweisender Belag, dann dürfte das den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht beeinträchtigen.
Das Interview führte Anna Katharina Fricke, Referentin Presse und Kommunikation Haus & Grund Deutschland
„Das Schlagwort vom „Gebäudetyp E“ steht nicht für eine bestimmte Bauweise oder einen bestimmten Gebäudetypus. Dahinter verbirgt sich vielmehr die Idee, dass es sinnvoll sein kann, beim Bauen auf Komfortstandards zu verzichten – um das Bauen einfacher zu machen und dadurch kostengünstiger.“
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